Ein Tag im Leben des Zettzett

12.31 – Ich werde vom Lärm des Radioweckers aus dem Schlaf gerissen. Ich gebe mir noch 15 Minuten. Es werden 45 daraus, denn ich schlafe nochmals ein. Um 13.16 endet mein Traum von der üppigen Anna-Lena, die ich letzte Woche im Ausgang kennenlernen durfte. Ich stehe auf, um mich ins Bad zu begeben.

13.20 – Der Tag beginnt mit einer wohltuenden, 60-minütigen Dusche. Begleitet vom motivierenden Sound aus der iTunes-Playlist «Simply The Best Shit There Is», der aus dem Wireless Lautsprecher kommt, den ich auf dem Spiegelkasten platziert habe, mache ich Pläne für den heutigen Tag. Nebst zwingenden Tätigkeiten wie Essen, TV und Nachmittagsschläfchen, lasse ich mir auch etwas Spielraum für spontane Aktivitäten.

14.32 – Frisch geduscht verlasse ich das Badzimmer und begebe mich vor meinen Kleiderschrank, um mir etwas passendes herauszusuchen. Dabei lege ich Wert auf farbliche Harmonie. Vom T-Shirt bis zur Unterwäsche sollte alles zusammenpassen, auch heute wieder. Um dem trüben Wetter etwas entgegenzusetzen, entscheide ich mich für ein grelles Sonnenblumengelb.

14.56 – Die Tiefkühlpizza «Pizza Giovanni – Calabrese» ist fertig. Exakt 12 Minuten nach Einschieben des Backbleches, auf welches ich die Köstlichkeit platziert habe, entnehme ich es dem zuvor auf 250 Grad Celsius vorgeheizten Elektrobackofen wieder. «Perfecto», würde der Italiener jetzt vermutlich sagen. Ich als Deutschschweizer nenne soeben Erzeugtes schlicht «vou nice». Die Pizza findet sich kurz darauf auf einem Teller wieder, der sich auf dem Esstisch vor dem laufenden Fernseher befindet. Ein Eistee beinhaltendes Trinkglas gesellt sich dazu. Der Gaumenschmaus beginnt.

15.13 – Der Gaumenschmaus endet. Im TV läuft mittlerweile «Mein Cooler Onkel Charlie». Ich schaue mir die laufende und die darauffolgende Folge an, in der Hoffnung, es könnte irgendwann lustig werden. Ich werde enttäuscht. Das nur leicht übertrieben wirkende Gelächter aus dem Off vermag es nicht, mich anzustecken. Ich erinnere mich an das eine Mal, als ich die Sendung ansatzweise witzig fand. Ich stand damals unter dem Einfluss von Cannabis. Aber nun, in nüchternem Zustand…nein, Danke. Ich wechsle zum Sender KiKa.

16.11 – Zeit, etwas produktiv zu werden. Ich schreibe ein wenig weiter am Text für das Feature mit Collie Herb. Das Thema sei Alltagsstress, meinte er, wofür ich mich aber momentan nicht begeistern kann. Ich schreibe etwas über Nutten und Möpse. 4 Takte und 30 Minuten später verlässt mich meine Fantasie. Ich schliesse Word, und widme mich einem erfrischenden Youporn-Clip.

17.02 – Nun checke ich mal Facebook ab. Gespannt warte ich darauf, dass sich die Seite lädt. «Ah», denke ich, «3 neue Messages und 4 neue Notifications» (Um mich nach Annahme der Minarettinitiative von der deutschsprachigen Schweiz zu distanzieren, hatte ich damals zu Englisch als Betriebssprache für mein Facebook gewechselt. Ausserdem vermittelt ein englisch beschriftetes Facebook ein Gefühl ausgeprägter Coolness.). Zunächst klicke ich die Messages an. Super! Anna-Lena, die ich letzte Woche im Ausgang kennenlernen durfte, meldet sich doch noch. Ja, sie sei noch gut nach Hause gekommen, antwortet sie auf meine originelle Frage, ob sie denn noch gut nach Hause gekommen sei. Ich sei auch gut nach Hause gekommen, möchte ich zunächst auf ihre Anschlussfrage, ob ich denn auch noch gut nach Hause gekommen sei, antworten, überlege es mir dann aber anders und versuche es mit einem Witz. Schliesslich stehen Frauen auf Humor. Nein, schreibe ich also, ich sei auf halbem Nachhauseweg von einer rüstigen Rentnerin vergewaltigt worden. Man habe rasch gemerkt, dass sie nicht unerfahren ist. Natürlich habe ich dabei die ganze zeit an sie, Anna-Lena, gedacht, um mir die Tortur etwas zu versüssen. Schliesslich stehen Frauen auf Komplimente.
Nach betätigen des «Send»-Knopfes öffne ich die nächste Nachricht. Werbung für eine offenbar super-geile Party.
Ich öffne die verbleibende Nachricht. Ein gewisser Konzertveranstalter mit Namen Fabian würde gerne wissen, ob ich Lust hätte, an ihrer «Headbang Hiphop Night» in irgendeinem Lokal in irgendeinem Kaff aufzutreten. Ich mache ihm die Bedingungen klar: «Hallo Fabian. Besten Dank für Dein Interesse. Die Gage für mich, meinen Backup MC und meinen DJ beträgt derzeit CHF 500. Wir trinken alles gratis, und zudem ist uns eine Flasche «Tomatin 15 Year Old» zur Verfügung zu stellen. Wir verfügen über 10 Gästelisteplätze. Ausserdem haben wir vor sowie nach dem Auftritt Anspruch auf eine Prostituierte mittleren Alters, je 1 Stunde lang (angemessene Substitute sind auch möglich). Schliesslich hat uns ein Fahrer vom Bahnhof abzuholen, und uns nach dem Event dort hinzubringen. Wir würden uns über ein Zustandekommen des Auftritts freuen. Beste Grüsse, der Zettzett.»

18.40 – Die abendliche Tiefkühlpizza ist bald fertig. Diesmal setzt sich ihr Belag nebst der Tomatensauce und dem Käse aus Pilzen und Schinken zusammen. Sie ist fertig. Ich esse sie. Im TV läuft «glanz & gloria». Ich rege mich auf, bleibe aber dran, bis ich Naomi Campbell gesehen habe. Ich hoffe, es lohnt sich, mir den ganzen vorangehenden Scheiss anzutun. Zunächst jedoch eine überraschend gute Meldung. Die neue langweilige Kochsendung hat SF bereits wieder abgesetzt. Die zweite, bereits produzierte Staffel, wird nicht gesendet werden. Ich sehe, mit den Billaggebühren wird äusserst verantwortungsvoll umgegangen. Boris Becker schwafelt irgendwas irrelevantes von seinem Sohn. Jetzt aber. Models. Wo ist die geile Naomi? Ah, endlich. Was zum Fick? Ich werde enttäuscht. Nach 3 Sekunden ist der Spass vorbei. Scheiss Wichser von Redaktoren.

19.28 – Es ist Zeit für ein erstes von wohl wieder vielen Dosenbieren. Feinstes Coop Prix Garantie. Das erste genüsslich trinkend, schaue ich mir die Tagesschau an. DSK, der alte Strolch. Nun also doch Sex. Einer meiner Kollegen meinte, man könnte doch jetzt auch ihn unterstützen, so à la «Heb döre!». Doch dieser Strauss-Kahn scheint mir nicht halb so sympathisch wie der gute Jörg. Letzterer hatte es problemlos geschafft, bei Verlassen des Gerichtssaals in die Kameras zu lächeln. Strauss-Kahn verzieht hingegen keine Miene, als die Fotografen zufälligerweise auf ihn und die ihn begleitenden Polizisten treffen. So einen unterstützen wir keinesfalls, ist er doch zudem auch noch einer jener stinkenden Froschfresser, die uns am Eurovision Song Contest keinen einzigen Punkt gegeben haben. Scheiss Baguette-Wichser.

20.02 – Wiedermal Facebook checken. Anna-Lena hat noch nicht zurückgeschrieben. Hat sie meinen Witz wohl als solchen erkannt? Naja, falls nicht, auch egal. Denn ich habe da ja noch etwas anderes im Köcher: Julia, die Rapperin aus dem Thurgau. Ich habe ihr kürzlich mal eine Featureanfrage per E-Mail zukommen lassen. Die Antwort erfolgt sicherlich bald. Wer weiss, vielleicht würde sich die Zusammenarbeit nicht nur aufs Musikalische beschränken.

20.47 – Ab ins Studio! Um 21 Uhr habe ich dort mit Freaky Fridolin abgemacht. Wir wollen einen weiteren Song für mein bald erscheinendes Mixtape aufnehmen. Leider habe ich das Textblatt zuhause vergessen. Macht aber nichts, ich freestyle stattdessen einfach etwas lustiges. Der Song handelt von Nutten und Möpsen.

23.58 – Nachdem ich Freaky Fridolin am Bahnhof abgesetzt habe, fahre ich noch kurz in die Oltner Industrie. Leider steht Svetlana heute an keinem Strassenrand. Ich fahre nach Hause.

00.15 – Zeit für ein feines Glas Whisky! Dabei checke ich erneut das Facebook ab. Immer noch keine Antwort von Anna-Lena, dieser humorlosen Sau. Ich schreibe sie mal ab. Einen Status könnte ich eigentlich auch wieder einmal schreiben. «Ficken ist, was du draus machst!». Klingt doch einleuchtend, und weise zugleich. Ich drücke das «Gefällt mir» unter meinem neuen Status.

00.37 – Ich frage mich, wie spät es eigentlich ist. Ein Blick auf die Uhr verrät mir: 00.38. Noch viel zu früh für Schlaf. Ich besuche meine Youtube-Seite, das erste Mal innert 24 Stunden, und informiere mich über die neuesten Viewerzahlen. Aha, denke ich, Freaky Fridolins «Freaky Friday» hat es über 500 Clicks geschafft. Freut mich für ihn. Gleichzeitig muss ich feststellen, dass wieder irgendein beschränkter Wichser den «Mag ich nicht»-Knopf betätigt hat. Manche Leute haben echt keine Ahnung, was einen guten Rap auszeichnet. Entweder ist es ihnen nicht «real» genug, weil ein, zwei Male der Begriff «Bitch» vorkommt. Oder dann gefällt ihnen der Ostschweizer Dialekt nicht. Tja. Wichser, allesamt.

01.25 – Nach etwas rumsurfen auf Youtube entdecke ich einen Ami-Rapsong mit interessantem Beat. Diesen Beat lade ich mir runter, nachdem ich ein Exemplar davon mittels Google ausfindig gemacht habe. Sogleich beginne ich, einen passenden Text dazu zu schreiben. Der Varianz halber handelt er diesmal nicht von Nutten und Möpsen. Nein, diesmal handelt er von Muschis und Huren.

02.36 – Drei Gläser Whisky später steht der Text. Ganze 40 Takte purer Rap, ohne unnötigen Refrain. Und nebst Muschis und Huren handelt er nun sogar noch von der Frage, ob Schweizer Vieh Hörner tragen dürfen soll, oder nicht, und ob Hörner dranlassende Viehhalter subventioniert werden sollten. Also, zumindest wird diese Thematik in ein, zwei Takten angeschnitten. Super Sache, denke ich mir, ich kann ja doch eins auf politisch machen, wenn ich nur will.

02.54 – Das an diesem Abend sechste Glas Whisky lässt mich etwas müde werden. Noch ein wenig Musik zum einpennen, denke ich mir, und haue noch kurz den Bligg rein. Klappt bestens. Nach 15 Sekunden stellt mein Organismus auf Schlaf um, um sich nicht noch mehr der grässlich fantasielosen Bligg-Rhymes anhören zu müssen.

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