Der Tag nach dem Nachmittag danach (Das Blinddate II)

Montag. Auch dieser Tag findet seinen Anfang erst wieder im Nachmittag, da ich ja keiner ordentlichen Arbeit nachgehe. Schliesslich kann ich es mir leisten, von meiner Tätigkeit als Rapper zu leben, wenn auch nur sehr schlecht.

Nach einigen chilligen Stunden vor Fernseher und PC, ist es dann auch schon bald Abend, Zeit, den vereinbarten Termin mit der geheimnisvollen Unbekannten von vorgestern anzutreten. Dazu will man natürlich in passender Stimmung sein, um auf eine allfällige Enttäuschung richtig, bzw. mit Gleichgültigkeit reagieren zu können. Konkret heisst dies, die Zeit, die der Weg von zu Hause bis Bahnhof in Anspruch nimmt, dient dem Konsumieren einer Haschischzigarette, was die für den Abend hilfreiche Lockerheit herbeiführt. Der Bahnhofskiosk dann, stellt die vier Halbliterdosen Bier zur Verfügung, welche für die eben erwähnte Gleichgültigkeit sorgen.

Ich platziere mich mit meinen vier Bierdosen in einem Zweitklassabteil eines in Richtung Innerschweiz fahren werdenden Zuges. Der von mir betretene Wagon ist nur mässig mit Passagieren gefüllt, was mir das in Anspruch nehmen eines 4er Abteils für mich alleine ermöglicht, ohne dabei im rechts gegenüberliegenden Abteil jemanden sitzen zu haben. Voll easy.

Vier Bierdosen und 40 Minuten später (ich habe also durchschnittlich 10 Minuten für einen halben Liter Bier gebraucht) erreiche ich den Zielbahnhof. Ganz leicht angespannt gehe ich den Weg zur von mir vorgeschlagenen Bar, auf welche wir uns als Treffpunkt geeinigt haben: ein mittelgrossflächiger Ort, wo die Lichter nur gedimmt auf die dunklen Holztische und den schwarzen Kunststoffboden scheinen, die Pop-, Rap-, Rockmusik nicht zu laut und nicht zu leise aus den Boxen kommt, die meist in angenehmer Zahl vorhandenen Gäste im Schnitt um die 25 Jahre alt sind, und das Rauchen noch uneingeschränkt erlaubt ist (unter anderem dafür schätze ich den Kanton, in dem sich diese Stadt befindet, und werde dies ab 1. Januar wohl noch intensiver tun).

Nach 15 Gehminuten erreiche ich die Bar, die ich sogleich betrete, um am Tresen eine Stange zu bestellen, mit aufmerksamen Blick, um die anwesenden Damen zu mustern, mich fragend, welche von ihnen denn mein (frei übersetzt) blindes Datum sein könnte. Vielleicht die dunkelhalbkurzhaarige hübschgesichtige schönfigurierte attraktivgekleidete (schwarzes Top, enge Jeans, weisse Sneakers) am anderen Ende des Tresens? Der Versuch, Blickkontakt herzustellen bleibt erfolglos, sie erkennt mich also nicht. Schade.

Dasselbe Vorgehen bringt auch bei der grossbusigen, ein mit grosszügigem Ausschnitt versehenes Oberteil tragenden Blondine am Tisch hinten links keine Reaktion hervor. Wiederum schade.

Einen vorerst letzten Versuch widme ich der dunkelbraunhaarigen hübschen Dame am Tisch vorne rechts, im enganliegenden grauen Teeshirt, welches die Konturen ihrer von mir als eine 100-cm-Umfang eingeschätzten Oberweite recht genau erkennen lässt. „Nice!“, denke ich mir, ohne damit die südfranzösische Hafenstadt zu meinen. Und diesmal werden meine Blicke erfreulicherweise auch erwidert, für einen jeweils mehrsekündigen Moment lang. Demnach muss sie das also sein.

Stolz lächelnd, denn sie sieht echt nicht schlecht aus, begebe ich mich zu ihrem Tisch rüber, das „hey ciao“ schon auf den Lippen. Gerade als ich einen Atemzug inhaliere, um diesen zusammen mit den Grussworten wieder auszuatmen, spricht mich jemand von der Seite an: „Lutzz?“, werde ich gefragt, überrascht versuche ich die mir nicht bekannte Dame einzuordnen: Wo habe ich diese altmodischen roten Wanderstiefel, die violetten weiten Samttrainerhosen (oder vielleicht auch Pyjamaunterteil), das grasgrüne Teeshirt mit Loch im linken Ärmel, die überlange Muschelkette, den Talibanschal, das ungeschminkte, doch nicht ganz unschöne Gesicht, die minim zerzausten, dunkelblonden Haare und das orangegelbe Haarband denn schon mal gesehen? „Etz könnsch mech scho nömme?“, lautet die zweite Frage und Antwort auf meine verduzte Reaktion.

Fortsetzung folgt.

=> Der Nachmittag danach (Das Blinddate I)

This entry was posted in Blog. Bookmark the permalink.

One Response to Der Tag nach dem Nachmittag danach (Das Blinddate II)

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert